Abschied auf Raten - Wolkige Aussichten
Achtzehn
Langsam öffne ich meine Augen, schließe sie aber gleich wieder. Ein starker, greller Lichtstrahl blendet mir ins Gesicht und sticht mir wie ein Laserpointer direkt in die Augen. Um mich herum ist alles weiß und strahlend hell erleuchtet. Mit erleuchtet meine ich wirklich erleuchtet, ein funkelnder Diamant ist matt dagegen. Ist das etwa der Himmel? Bin ich wirklich tot? Mein Blick wandert über meinen Körper. Ich bin splitterfasernackt und halte eine Taschenuhr in meiner linken Hand. Eine Taschenuhr? Tatsächlich eine Taschenuhr und zwar die Ausgabe, die zu Zeiten meines Großvaters modern war, aus Gold mit einer dicken schweren Kette die an einem Federring befestigt ist. Auf dem Ziffernblatt sind keine Zahlen sondern die Abkürzungen der Monate und in der Mitte steht in dicken Druckbuchstaben: “ABSCHIED AUF RATEN“. Was hat das denn bitte zu bedeuten? Bin ich doch nicht tot? Da wo die 12 auf der Uhr stehen müsste steht Apr. Ich nehme stark an, dass es die Abkürzung für April ist und der Zeiger bewegt sich mit jeder Sekunde mehr in Richtung Mai. Allem Anschein nach halte ich eine Zeituhr oder eine tickende Zeitbombe in meiner Hand. Je nach dem, wie man es lieber beschreiben möchte. Scheint so als bleibt mir ein Jahr von April bis April, aber für was? Ich schaue mich um. Ich bin auf einer Wolke. Wow, ich bin tatsächlich auf einer Wolke. Abgefahren. Nur das diese Wolke überhaupt gar nichts mit den Wolken zu tun hat, die ich vom Flugzeug aus kenne. Hatte ja die Vorstellung, dass man einfach durch eine Wolke durchfällt, sobald man diese betritt, das ist bei dieser Wolke aber mal gar nicht der Fall. Oder dass Wolken super weich sind, wie in der Welt der Glücksbärchis, aber das ist bei dieser Wolke noch viel weniger der Fall, die ist nämlich hart wie Granit. Weit und breit ist nichts zu sehen als die weiße, wattegleiche, aber wie bereits bemerkt granitharte Landschaft der Wolke. Keine Geräusche, keine Menschenseele und von Gott ist hier schon gar nichts zu sehen. Vielleicht bin ich ja auch in der Hölle? Und die Wolke ist ein Verstehen Sie Spaß-Sketch des Teufels, der mich mit versteckter Kamera beobachtet und sich den Arsch ablacht. Von Luzifer fehlt weit und breit allerdings ebenfalls jegliches Anzeichen. Keine Lava, kein Dreizack und kein kochender Bronzekessel. Gut, das ist jetzt vielleicht ein bisschen viel Klischee, aber hier gibt’s wirklich nichts. Ich berühre meinen Körper und zucke sofort zusammen. Ich kann durch mich hindurch fassen. Wuhuuu, ich bin ein Geist. Wie abgefahren ist das denn. Von meinem Körper ist nichts mehr übrig, er ist nur noch ein Umriss. Von mir scheint tatsächlich nur noch übrig zu sein, was wir Menschen als Seele bezeichnen. Das ist wirklich abgefahren und zugegebener Maßen bekomme ich etwas Angst vor mir selbst. Das ist doch Irre. Ich versuche mich zu schlagen, zu kneifen, zu beißen, aber ich spüre nichts. Nichts! Keinen Schmerz, keinen Druck, weder Kälte noch Wärme, einfach nichts. Ich fange auch nicht an zu bluten oder bekomme hässliche blaue Flecken. Ne, ist nicht. Die Fähigkeit hätte ich zu Lebzeiten gut gebrauchen können! Auch mein Seelentierchen hat mich scheinbar verlassen. Toll gerade jetzt, wenn man es wirklich braucht. Obwohl ich durchsichtig bin, ist es mir möglich die Taschenuhr zu halten. Allerdings kann ich das blöde Ding auch nicht weglegen, sie scheint mit mir verwachsen zu sein, als wäre sie ein Teil von mir. Aus den Augenwinkeln nehme ich plötzlich eine Bewegung wahr. Wo kam die denn her? Ich blicke auf den Boden der Wolke, da die Bewegung eindeutig von dort kam und sehe Till. Oh mein Gott, ich kann Till sehen! Und meine Mutter sehe ich auch. Sie sind mitten im Wald und zwar ganz offensichtlich bei meiner Beerdigung. Oh mein Gott, ich bin Zuschauer auf meiner eigenen Beerdigung. Ich kann es nicht fassen, halte den Blick aber wie hypnotisiert auf die Zeremonie gerichtet die sich vor meinen Augen abspielt. Unglaublich. Mit zitternder und vor Tränen fast erstickter Stimme steht meine Mutter vor der Trauergemeinde (die wie von mir gewünscht sehr klein ist) und liest meine Geschichte vor.
Zwei Bäume
Zwei alte, anmutige, große und starke Apfelbäume stehen seit vielen, vielen Jahren nebeneinander auf einer Lichtung direkt am Waldesrand. Sie sind zusammen groß geworden. In all den Jahren haben sie viel Freude und Leid miteinander geteilt und etliche Sommer und Winter vorbeiziehen sehen. Die beiden haben reiche Zeiten voll Blüte und Frucht und schlechtere Zeiten voll Kummer und Sorgen zusammen erlebt. Stets haben sie Glück und Trauer miteinander geteilt und der eine war immer für den anderen da.
In den guten Zeiten haben sie viel miteinander gelacht und die Äste ineinander verankert um sich gegenseitig festzuhalten.
In schlechten und stürmischen Zeiten haben sie ebenfalls ihre Äste ineinander verankert, um sich gegenseitig Halt zu geben. Auf diese Weise sind sie zusammen aufgewachsen und haben sich gemeinsam entwickelt. Sechzig Jahresringe zählen Beide. An einem regnerischen Tag im Juli zieht ein Gewitter auf. Ein Sommergewitter wie die beiden alten Bäume es Jahr ein Jahr aus schon oft erlebt haben. Doch plötzlich und ohne jede Vorwarnung schlägt ein Blitz in einen der Bäume ein und reißt diesen zu Boden. Er ist tot, ausgebrannt, verkohlt und wird nie wieder lebendig werden. Nur wenige Tage später wird er von Waldarbeitern abtransportiert. Fortgebracht, für immer. Der andere Baum ist außer sich vor Trauer. Vor Schock und Kummer hat er seine ganze Blätterpracht verloren. Doch es ist ihm egal. Alles ist ihm egal. Wie will er denn ohne seinen Freund je wieder glücklich werden?
So zieht ein ganzer Sommer und auch ein Winter an ihm vorbei. Seine Krone bleibt kahl, auch als im Frühling das Leben um ihn herum erwacht. Die warmen, wohltuenden Strahlen der Sommersonne nimmt er nicht wahr, zu tief sitzt sein Schmerz. Die gnadenlose Kälte des Winters spürt er dafür aber umso stärker – so entspricht diese doch viel mehr seinem Gefühlszustand. „Warum hat der Blitz uns nur nicht beide getroffen?“ Das Leben hatte für ihn all seine Schönheit verloren. Eines Tages lässt sich eine plüschige dicke Hummel auf einem Ast des alten Baumes nieder. Nach dem sie sich von ihrem anstrengenden Flug erholt und ihre Flügel geputzt hatte schaute sie sich ihren Landeplatz genauer an. Weit und breit war keine Blüte an dem Baum zu sehen, noch nicht einmal eine Knospe sprießte.
„Warum blühst du denn nicht?“, fragte die Hummel den alten Baum. Verdutzt das ihn jemand Ansprach schaute sich der alte Baum um. Seit sein Kamerad von ihm gegangen war, hatte keiner mehr mit ihm gesprochen. Die Hummel merkte, dass der Baum verwirrt war.
„Hallo, ich sitze hier auf deinem Ast.“
Da erblickte der alte Baum die dicke Hummel und antwortete: „Ich werde nie mehr blühen, bei mir wirst du keinen Nektar finden.“
„Bist du krank?“, wollte die Hummel nun wissen. Da erzählte der alte Baum ihr die ganze Geschichte, es tat gut nach all der Zeit mit Jemandem zu sprechen. Die Hummel war ein guter Zuhörer und lauschte geduldig den Worten des Baumes.
„Das tut mir sehr leid für dich“, sagte sie schließlich. „Aber die Welt hat immer noch so viel Schönes zu bieten, auch für dich. Du kannst wieder glücklich werden.“
„Das ist nicht möglich“, antwortete der Baum traurig.
„Es ist angeblich auch nicht möglich, dass ich fliegen kann, weil mein Körper viel zu groß ist, als das meine Flügelchen mein Gewicht tragen und trotzdem fliege ich!“
Der Baum musste lächeln. Es war das erste Lächeln das sich auf seinem Gesicht ausbreitete seit sein Kamerad von ihm gegangen war. Wie gut das tat.
„So gefällst du mir viel besser. Dein Freund hätte sicher gewollt, dass du auch ohne ihn glücklich bist“, sagte die Hummel, die das Lächeln bemerkt hatte und flog davon.
Der Baum blieb alleine in der Abendsonne zurück. Doch etwas hatte sich geändert. Seit langer Zeit genoss er die wohltuenden Strahlen der Sonne auf seiner Rinde und betrachtete seine Umgebung mit wachen, neugierigen Blicken.
Da sah er direkt an seiner Baumwurzel ein kleines Tannenbäumchen das von einem seiner Äste schier erdrückt wurde. Sofort hob er seinen schweren Ast und richtete ihn in Richtung der Sonne aus.
„Danke“, stöhnte der kleine Tannenbaum, „dachte ich sterbe unter deinem dicken Ast. Hast du mich denn gar nicht rufen hören?“
„Nein, tut mir leid. Ich war wohl zu sehr mit mir selbst beschäftigt“, sprach der alte Baum und erzählte der kleinen Tanne seine traurige Geschichte.
Dies war der Beginn einer neuen, wunderbaren Freundschaft.
Nicht vorhandene Tränen laufen mir übers Gesicht. Ich hätte meiner Mutter niemals zugetraut, dass sie so stark ist und sich so sehr zusammenreißen kann und diese Geschichte bis zum Ende vorliest. Aber sie will es schaffen. Für mich. Das rührt mich unglaublich. Zwar ist es mir nicht mehr möglich zu weinen, aber meine Gefühle sind mir geblieben. Wenn ich könnte würde ich hemmungslos heulen. Kaum hat sie das letzte Wort der Geschichte gelesen zerreißt ein unglaubliches Schluchzen die Stille. Meine Mutter heult sich die Seele aus dem Leib. Sie schreit voller hysterischer Verzweiflung. Sie schreit wie Jemand schreit, dem das Liebste genommen wurde, für immer. Sie schreit wie nur eine Mutter schreien kann, der man ihr Kind wegnimmt. Papa versucht sie zu beruhigen. Er wirkt gefasst. Papa war noch nie ein Gefühlsmensch. Auch meine Schwester Ela versucht zu trösten, obwohl sie selbst stark mit den Tränen kämpft. Wir haben uns nie wirklich nahe gestanden. Als ich gerade sprechen konnte, ist sie schon von zu Hause ausgezogen. Ich war wohl das klassische Nesthäkchen, zwischen uns liegen ganze zwölf Jahre Altersunterschied. Wir lieben uns, aber mehr als zwei, drei Wiedersehen zu besonderen Anlässen und den ein oder anderen Telefonanruf pro Jahr gab es nicht zwischen uns. In Elas Gesicht kann ich jetzt ganz deutlich lesen was sie denkt. Sie bereut es, dass wir so wenig Kontakt hatten. Es wäre aber sinnlos ihr oder mir die Schuld dafür zugeben. Es hat sich einfach nie ergeben. Mein Blick wandert zu Till. Till! Er zeigt überhaupt keine Regung. Melancholisch und leblos steht er da, die Arme hängen schlaff an seinem Körper herunter. Sein Blick ist starr auf meinen Baum - mein Grab gerichtet. Als ob er gar nicht da wäre, ganz weit weg, fern ab von allem und nichts davon mitbekommt. Wahrscheinlich hat er ein starkes Beruhigungsmittel bekommen und ist momentan nicht Herr seiner Sinne.
Von meinem Till ist überhaupt nichts mehr übrig. Sein Lachen, seine Lebenslust, seine ausdrucksvollen braunen Augen. Alles eingefallen und ausgelöscht. Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Wie schnell das ging, ich bin doch höchstens ein paar Tage tot. Neben ihm steht Christian. Er ist tatsächlich aus Australien angereist um Till in dieser schweren Zeit beizustehen. Ich bin so froh, dass Till einen solchen Freund hat. Trotzdem. Ich ertrage es nicht länger hinzuschauen und Till so zerstört zu sehen. Wie gern wäre ich jetzt bei ihm und würde ihm sagen dass alles gut wird. Ich drehe mich um und rolle mich auf meiner Wolke zusammen, ziehe die Beine an und umschlinge mich fest mit beiden Armen.
Neunzehn
Keine Ahnung wie lange ich so dagelegen bin. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Leider gibt mir auch die Taschenuhr in meiner Hand keine genauere Auskunft. Der Zeiger rückt auf jeden Fall immer weiter Richtung Mai. Aber wie viele Minuten, Stunden oder gar Tage vergangen sind, kann ich darauf leider nicht ablesen.
Wie in Trance stehe ich auf und schaue ängstlich aber gleichzeitig neugierig über den Wolkenrand. Sofort sehe ich Till. Scheint als könne ich nur ihn und seine unmittelbare Umgebung von meiner Wolke aus beobachten. Er sitzt auf unserem Bett im Schlafzimmer und hält unser Hochzeitsfoto in der Hand. Darauf strahlen wir beide um die Wette. Wir waren so verdammt glücklich, es war wirklich ein perfekter Tag, in einem perfekten Leben. Mein Plan ging tatsächlich auf und ich habe Till problemlos überredet die standesamtliche Trauung so schnell wie möglich zu machen und die große Feier dann vor der Abreise. Quasi von einer Woche auf die andere stand unsere Hochzeit fest und unsere Eltern und Trauzeugen wurden sofort eingeweiht und eingeladen. Standesamtlich haben wir uns wirklich nur auf das Nötigste beschränkt und trotzdem war es der tollste Tag in unserem Leben. Habe vorher nie verstanden, dass Brautpaare sagen es ist der tollste Tag im Leben. Es gibt doch so viele tolle Tage: Jahrestag, Heiratsantrag, Uniabschluss, Geburt... Aber Heiraten ist definitiv unbeschreiblich toll. Vor allem wenn man es aus Liebe tut und so glücklich miteinander ist, wie wir es sind - oder waren. So glücklich, dass es schon fast wehtat. Geheiratet haben wir im Januar in einem kleinen Standesamt in München. Till sah einfach großartig aus in seinem italienischen Designeranzug, den er allerdings nicht extra für die Hochzeit gekauft hat, sondern schon auf unserem Romtrip im vergangenen Jahr. Aber an diesem Tag sah er darin wirklich zum Anbeißen aus und ich erst! Es versteht sich von selbst, dass ich mir ein neues Outfit gegönnt habe. Weltreise-Sparplan hin oder her.
Es gibt ja wohl kaum einen vertretbareren Anlass für eine neue Garderobe als die eigene Hochzeit. Mein Kleid fürs Standesamt war zwar schlicht, genau genommen war es auch ein Kostüm, aber es hatte verdammt viel Stil und weiß war es natürlich auch. Eine Braut muss einfach weiß sein, alles andere ist Spielerei. Aus gegebenem Anlass habe ich dann auch meine Hutkollektion um einen wahnsinnig tollen Brauthut erweitert. Ich habe nämlich ganz edel mit Hut geheiratet. Dieser war weiß, mit einer Satinblüte verziert und hatte einen Minischleier der mein Gesicht leicht bedeckt hat. Allerdings steppt im Standesamt wirklich der Bär. Auch im Januar gibt es in einer Stadt wie München auf dem Standesamt eine richtige Fließbandabfertigung. Kaum war das eine Brautpaar raus, wurden wir auch schon nachgeschoben. Bei der Hochzeit waren wirklich nur unseren Eltern und unsere Trauzeugen Klara und Christian (er war auch dafür extra aus Australien angereist) dabei. Die Trauung, die wirklich nur wenige Minuten dauerte, veränderte mein komplettes Leben. Aus Julie Müller wurde Julie Sanders. Sehr zur Missgunst meines Vaters (da sind wohl alle Väter etwas sensibel) aber für mein Glück hat er es schließlich akzeptiert. Endlich war ich Julie Sanders. Yiepihh! Vor dem Standesamt wartete dann eine riesengroße Überraschung auf uns, die aus unzähligen Arbeitskollegen bestand. Unsere Hochzeit hatte sich natürlich rumgesprochen und weder Tills noch meine Kollegen haben es sich nehmen lassen uns an diesem Tag mit Glückwünschen zu überhäufen. So standen sie als wir das Standesamt verließen also Spalier, Seifenblasen wurden gepustet, Herzluftballons flogen durch die Luft und zu guter Letzt mussten wir ein Herz aus einem Leintuch schneiden und Till durfte mich durchtragen. Sogar mein Chef war da. Wir waren sprachlos über so viel Einsatz, obwohl sie doch gar nicht eingeladen waren. Danach waren wir im Masters Home und haben uns ein erstklassiges Sieben-Gänge-Überraschungsmenü auf der Zunge zergehen lassen, allerdings nun wirklich nur mit unseren Eltern und den Trauzeugen.
Ein leichtes Lächeln umspielt Tills Mundwinkel, kaum spürbar, aber ich kann es sehen. Kenne ich dieses Gesicht doch besser als mein eigenes. Er drückt meinem Abbild einen langen, nicht enden wollenden Kuss auf und legt das Bild verkehrtherum auf das Nachtischchen neben dem Bett.
Jetzt erst bemerke ich die Tüten. Auf dem Bett liegen mehrere unterschiedliche Apothekentüten. Till schüttet die Tüten aus. Aus jeder der Tüte kullert ein kleines Fläschchen mit weißen, teilweise auch bunten Dragees. Schlaftabletten. Oh mein Gott! Till schüttet die Tabletten in ein Glas und füllt es mit Wasser auf. „Oh mein Gott! Nein!!! Du darfst das nicht schlucken! Till! Neiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!“ Ich schreie aus voller Seele. Schreie mit all meiner Kraft. Mit all meiner Verzweiflung, doch vergeblich, meine Worte kommen nicht zu ihm durch. Er kann mich einfach nicht hören.
„Denk an die Kiste! Bitte denk an die Kiste!“ In dem verdammten Traum hat die Kiste ihn gerettet bevor er die Tabletten geschluckt hat. Warum denkt er denn jetzt nicht an die Kiste? Er darf die Tabletten nicht schlucken, er darf sie nicht schlucken. Er darf nicht sterben, er darf einfach nicht. Till muss Leben! „Till, bitte vergiss nicht was du mir versprochen hast. Du sollst leben, hörst du? Du musst leben, du hast es mir versprochen. Du hast mir versprochen, das du an die Kiste denken wirst!“
Zu spät. Es ist zu spät. All meine Bitten und verzweifeltes Flehen bleibt ungehört. Till hat alle Tabletten in einem großen Glas mit Wasser heruntergespült als wären es bunte Smarties. Zusammengekauert liegt er auf dem Bett, unser Hochzeitsbild eng an seine Brust gedrückt und wartet darauf, dass er einschläft. Wartet darauf, dass er stirbt. Wartet darauf, dass sein Herz aufhört zu schlagen. Wartet darauf, mich wieder zu sehen. Aber so darf es nicht sein. Er darf nicht sterben und wir können uns auch nie wieder sehen. „Tiiiiill!“